Küchengarten: Köstliche Tomaten:
Das macht alte Sorten besonders
Einleitung
Mai 2020 Tomatensorten aus Großmutters Zeit finden immer mehr Fans. Sie überraschen mit enormer Formenvielfalt und gutem Geschmack. Wer sie ausprobieren möchte, wird auf Tauschbörsen und Saatgutfestivals fündig. Da die Nachfrage steigt, sind die beliebtesten Sorten auch in einigen Saatgut-Sortimenten wieder erhältlich.
Früher wurden Tomaten eher als Zierpflanzen mit skurrilen Formen betrachtet, weil man nicht nur die grünen, sondern auch die rot, gelb, weiß oder violett abreifenden Früchte (wie bei einigen anderen Nachtschattengewächsen) für giftig hielt. Der echte Durchbruch gelang erst mit der Züchtung von Sorten, die brauchbare, runde Früchte, hohen Ertrag und aromatischen Geschmack zusammenbrachten.
Mittlerweile gibt es in der Europäischen Sortenliste für Tomaten mehr als 3.550 offiziell erfasste Sorten. Da jedes Jahr neue auf den Markt kommen, fallen im Gegenzug viele alte Sorten, die keine wirtschaftliche Bedeutung mehr haben, aus den Sortimenten der Saatgutanbieter heraus. Denn diese sind meist anfälliger gegen Krankheiten als moderne Züchtungen, vor allem für die Blütenendfäule und die Kraut- und Braunfäule. Was sie für Hobbygärtner dennoch interessant macht: ihre unglaubliche Formenvielfalt und ihr oft intensiver Geschmack.
Kräftiges Aroma nach oben
‘Green Zebra’ zum Beispiel ist eine 1954 entstandene runde, mittelgroße und schnittfeste Stabtomate mit ausgezeichnetem Geschmack. Ihre Früchte sind nicht rot, sondern grün und stark geflammt. Sie sind reif, wenn die grüne Haut einen gelblichen Schimmer annimmt. ‘Tigerella’ hat malerisch in Gelb-Rot gestreifte runde, mittelgroße Früchte, die mit ihrem würzigen Aroma überzeugen. Sie reift früh und bringt mittleren Ertrag. ‘Teardrop’ ist eine Cocktailtomate mit bis zu 100 cm hohem Wuchs. Ihren Namen erhielt sie von ihren kleinen, länglichen, tränenförmigen Früchten, die ausgereift eine orange-rote Farbe annehmen und herrlich aromatisch schmecken. Auch die rotfruchtige Sorte ‘Rheinlands Ruhm’ und die alte Schweizer Sorte ‘Berner Rose’ munden angenehm kräftig.
Außergewöhnlich in Farbe und Form nach oben
Weitere Sorten fallen durch ihre besondere Fruchtform auf. Die Sorte ‘Andenhorn’ bringt riesige rot-gelbe und nach unten hin spitz zulaufende Früchte hervor. Sie ähneln in ihrer Form eher Paprikaschoten. Die Früchte haben viel Fleisch und wenig Saft. Daher werden sie gern für Salate, Suppen und Saucen verwendet. ‘San Marzano’ ist eine aus Italien stammende Sorte, die eine Vielzahl an eierförmigen Früchten entwickelt. Sie reift spät und wird für Tomatenmark, Ketchup, zum Schälen, Trocknen, Kochen und Grillen verwendet.
‘Goldene Königin’ macht ihrem Namen alle Ehre. Ihre goldgelben, kugelrunden Früchte zeichnen sich durch wenig Säure aus und schmecken daher mild-fruchtig. Die ertragreiche Freiland-Tomate kam bereits 1884 auf den Markt und zählt damit zu den ältesten deutschen Sorten.
Zu den schon halb vergessenen Pflanzenschätzen gehört auch die Schokoladentomate ‘Sacher’, die ihren Namen ihrer dunklen Schalenfarbe verdankt. Die flachrunden Früchte reifen mittelspät, sind relativ lange haltbar und schnittfest. Sie haben ein fruchtig-süßliches Aroma. Die robuste Sorte eignet sich sowohl für den Anbau im Freiland als auch im Gewächshaus.
Als historischer Klassiker unter den Fleischtomaten gilt die Sorte ‘Ochsenherz’. Ihre hellroten Früchte sind groß, herzförmig und leicht gerippt. Sie können ein Fruchtgewicht von bis zu 500 g erreichen und eignen sich daher besonders gut zum Füllen, als Grilltomate oder für Suppen.
Ernten Sie Ihr Saatgut selbst! nach oben
Da die alten Sorten oft nicht so leicht zu finden sind, empfiehlt es sich, das Saatgut jedes Jahr selbst zu gewinnen. Das funktioniert verlässlich jedoch nur bei samenfesten Sorten. Denn nur sie lassen sich sortenrein durch Aussaat vermehren. Bei F1-Hybridsorten spalten sich dagegen die Pflanzen mit ihren Eltern-Eigenschaften entsprechend den Mendelschen Gesetzen wieder auf und es kann sein, dass Sie Tochterpflanzen mit unterschiedlichen Wuchs- und Fruchtmerkmalen erhalten.
Und so geht`s:
Schneiden Sie die vollreifen Früchte auf und kratzen mit einem Löffel die Samen samt anhaftendem Fruchtfleisch heraus. Füllen Sie diese in ein Glas mit Wasser und lassen Sie sie bei Zimmertemperatur ein bis zwei Tage nachgären, damit sich die Kerne von ihrer Umhüllung lösen. Die Samen sinken dann im Glas zu Boden und fühlen sich rau an. Seihen Sie diese nun durch ein Sieb ab und spülen das Fruchtfleisch mit klarem Wasser ab. Breiten Sie die Samen auf einem Kaffeefilter oder einem Küchenpapier flach aus und lassen Sie sie gut trocknen. Dann in ein mit dem Sortennamen und dem Erntejahr beschriftetes Papiertütchen oder in eine licht- und luftdichte Dose füllen und an einem trockenen Ort bis zur Aussaat im nächsten Frühjahr (Februar/März) aufbewahren.
Alte Sorten in der Tomaten-Datenbank nach oben
In unserer Juliausgabe des letzten Jahres haben wir einen Aufruf von Gisela Ewe, Aschersleben, und Dr. Rolf Bielau von der Interessengemeinschaft Saatguttradition Quedlinburg veröffentlicht. Die Interessengemeinschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, die Saatzuchtgeschichte Quedlinburgs mit seinen zahlreichen Zuchtbetrieben darzustellen.
In Aschersleben versuchen sie, den Genpool alter Tomatensorten zu erhalten und arbeiten an einer Datenbank. Diese umfasst bereits 143 Sorten und bekannte Neuzuchtstämme aus Mitteldeutschland und Brandenburg.
Herr Dr. Bielau, warum sind alte Sorten so erhaltenswert?
Dr. Bielau: Alte Sorten haben manchmal Eigenschaften, die bei neuen Sorten verloren gegangen sind. Sie sind also Träger von Genen, die zur weiteren Züchtung sehr wertvoll sein können. Viele Sorten haben sich außerdem regional einen Namen gemacht, weil sie perfekt an die jeweils lokal vorherrschenden klimatischen Bedingungen angepasst sind. Sie sind besonders robust im Wuchs, weniger krankheitsanfällig, bringen gute Erträge und waren daher regional stark verbreitet.
Wo können sich interessierte Leser Saatgut besorgen?
Dr. Bielau: Wir veranstalten jedes Jahr den Ascherslebener Tomatentag, zu dem immer viele Besucher kommen. Er findet in diesem Jahr am 22. August statt. Hier kann Saatgut getauscht oder für eine kleine Spende erstanden werden. Natürlich gibt es dazu auch viele Informationen zu den Sorten von Tomatenfreund zu Tomatenfreund. Solche Tauschbörsen oder Saatgutfestivals gibt es in vielen Bundesländern. Sie können sich auch an die Regionalverbände der Kleingärtner wenden.