Ziergarten: "Sammelplätze" − dezent japanisch
Einleitung
Oktober 2016 Wo wären Sie am liebsten, wenn es mal wieder allzu hektisch zugeht? Ihre Antwort zielt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Ort in der Natur hin. Ein einsamer Bergsee, vielleicht eine Wiese, ein Wald, ein Hügel mit Aussicht, eine einsame Insel. Leider sind diese Ziele für das "Seelen-Yoga" zwischendurch meist nicht gerade um die Ecke. Dafür aber der Garten. Und dort gibt es bestimmt noch ein Fleckchen, dass Sie sich als Platz zum Sammeln Ihrer Gedanken einrichten können.
Eine Orientierung für dessen Gestaltung bietet der Ferne Osten, wo man das Zen kultiviert, die meditative Sammlung. Davon lässt sich einiges abschauen und in unseren Alltag übertragen. In diesem Fall für die Anlage einer Garten- oder Terrassenecke, die hilft, wieder zu sich selbst zu finden.
Wenig als Gegenmittel zum Zuviel nach oben
Auch wenn Bonsai und Buddhismus ihren Ursprung in China haben: In Japan fanden die verschiedenen Strömungen jeweils ihre Vollendung. Zengärten machen da keine Ausnahme. Ihren meditativen Charakter erhalten sie durch die Beschränkung auf das Wesentliche. In ihrer Reinform legt man sie als "Trockenteich" aus wohlplatzierten Steinen auf Kiesflächen an. Als einzige Pflanze überzieht Moos modellierte Minihügel. Das Harken der Flächen zu kiesgewordenen Wellen ist Teil der Meditation. So streng sind andere Gärten asiatischer Machart nicht. Bambus, Fächer-Ahorn, Kiefern, Rhododendren, Blumen-Hartriegel, Gräser, Pfingstrosen, Schwertlilien und Herbst-Anemonen sorgen für Abwechslung, wenn auch zurückhaltend. So bleibt die Ausstrahlung der idealisiert gestalteten Landschaften beruhigend für die Sinne.
Ein bisschen Zen für Mitteleuropa nach oben
Wie überträgt man das Zen-Prinzip nun auf unsere Gärten? Man könnte meinen, die neuen "Steingärten" aus Kies und Schotter auf Unkrautvlies weisen schon in diese Richtung. Tatsächlich sind sie keineswegs pflegeleicht und bieten nun wirklich keinem einzigen Lebewesen mehr Nahrung und Unterschlupf. Das Eckchen Stille neben der Terrasse im großen Bild links dagegen entspricht Mitteleuropa − und unseren Mitwesen − schon eher. Inspiriert durch Zengärten zitieren Kies und Trittsteine den "Trockenteich", der sogar von einem Tonfisch "beschwommen" wird. Ohne Unkrautvlies beleben Polstermoos, Polsterglockenblume, grünrötliches Purpurglöckchen, niedrige Gräser, eine Astilbe, eine gelb gerandete Funkie und, in der Mitte, der blau blühende Steinsame die Fläche. Die Pflanzenwahl ist auf den halbschattigen Standort abgestimmt. Vor dem Schilfmatten-Hintergrund stehen Zwergsorten des Fächer-Ahorns. Statt Buddha meditiert dort jedoch ein dickbäuchiges Tonhuhn. Zwei schlanke Figuren scheinen durch den Ahorn-Wald zu wandeln, und der müßige Betrachter wandelt in Gedanken mit. Wie erfrischend!
Die Situation im Bild unten spielt ebenfalls mit Steinen und Fächer-Ahorn. Auch an diesem "Sammelplatz" verweben sich Fernost (Bambus, Balifahne, Buddha) und Mitteleuropa (Laternen − nicht aus Stein!, Schale mit Hornveilchen) zu einer harmonischen Einheit. Und wirkt die urzufriedene, entspannte Ausstrahlung des Buddhas nicht ansteckend?
Wenn die Anspielung bereits genügt nach oben
Manchen mag schon ein einziger Blickfang ausreichen, um zur kurzen Pause angeregt zu werden. Natürlich muss das nichts Asiatisches sein. Vielleicht aber erinnert ein Zen-Element eher daran, innezuhalten. Als Beispiele mögen die drei Motive unten links dienen. Vor der schattenspendenden Schilfmatte schwebt ein Kokedama, ein japanischer Moosball, der mit einem Farn bepflanzt ist. Ein Schmuckstein aus Glas und ein Bändchen verleihen ihm etwas Spielerisches. In der Mitte ein Quadratmeter Ablenkung: Wasser zieht ebenso in seinen Bann wie lodernde Flammen. Der Quellstein auf Kieseln mit Bambushintergrund lässt Betrachtende im Nu die Hektik vergessen. Und das natürlich zwischen Bambushecke und Schmucklilie in den Garten eingepasste Balkentor beweist, dass es nicht unbedingt das auffällige rote Original sein muss. Auch so macht es bewusst, dass jetzt ruhig eine Teepause eingelegt werden darf. Schließlich bleibt, frei nach dem chinesischen Philosophen Laotse, im Nichtstun nichts ungetan.